Transistor-Fall

Transistor-Fall

A. Sachverhalt

Die Kl. verlangt von der Bekl. zu 1 (künftig: die Bekl.) den Ersatz von Schäden, die nach ihrem Vorbringen durch die Verarbeitung fehlerhafter Transistoren der Bekl. und einer dadurch bei ihr eingetretenen Eigentumsverletzung entstanden sind. Die Kl. fertigte für die B­AG, eine Herstellerin von Kraftfahrzeugen, Zentralverriegelungen für Personenkraftwagen. In die Steuergeräte dieser Verriegelungen baute sie je vier von ihr zum Stückpreis von 3,9 Pfennig von einem zum selben Konzern wie die Bekl. gehörenden Unternehmen bezogene und nach ihrer Behauptung von der Bekl. hergestellte Transistoren des Typs BC 337­40 ein, nachdem sie diese jeweils mit anderen Bestandteilen auf Leiterplatinen aufgelötet und die Platinen sodann mit einem Schutzlack überzogen hatte. Ende September 1992 erfuhr die Kl. von der B­AG, dass es zu zahlreichen Ausfällen bei den Steuergeräten der Zentralverriegelungen gekommen war. Bis April 1994 stieg die Ausfallquote auf rund 75%. Die fehlerhaften Steuergeräte wurden von der B­AG anfangs an die Kl. zurückgegeben, später jedoch bereits bei den Vertragshändlern der B­AG ausgemustert. Die Kl. geht aufgrund eines von ihr eingeholten Gutachtens davon aus, dass die Ursache für den Ausfall der Steuergeräte in einem Fehler der Transistoren liege. Bei deren Herstellung sei von der Bekl. in bestimmten Fertigungswochen zu viel des aus Silber­Epoxidharz bestehenden Klebematerials verwendet worden. Dadurch hätten sich im Laufe der Zeit unter dem Einfluss elektrischer Spannungen, erhöhter Temperaturen und Feuchtigkeit leitfähige Verbindungen zwischen Basis und Kollektor der Transistoren gebildet und zu den Fehlfunktionen geführt. Der Produktfehler sei bei der Bekl. infolge unzureichender und ungeeigneter Maßnahmen zur Qualitätssicherung nicht entdeckt worden. Die Kl. hat einen Austausch der fehlerhaften Transistoren ohne Beschädigung der anderen Bauelemente der Steuergeräte für unmöglich gehalten; er sei zudem nach den Qualitätsrichtlinien der B­AG nicht zulässig und jedenfalls mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht durchführbar. Die Kl. hat für die schadhaften Steuergeräte Ersatzgeräte an die B­AG geliefert. Diese hat gegen die Kl. zusätzlich Ansprüche auf Ersatz von Kosten für den Aus­ und Einbau der Steuergeräte sowie für die Bearbeitung des Schadensfalles geltend gemacht und diese Ansprüche mit Vergütungsforderungen der Kl. aus anderen Lieferungen verrechnet. Im vorliegenden Verfahren hat die Kl. zuletzt die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung von 2.311.740,60 DM nebst Zinsen begehrt.

B. Worum geht es?

Im Mittelpunkt des Falles steht erneut die Problematik des sogenannten Weiterfresserschadens (oder weiterfressenden Mangels). Hier geht es um die Konstellation der Verbindung fehlerfreier mit den fehlerhaften Bestandteilen (Transistoren).

Das Berufungsgericht hatte – in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Landgericht – angenommen, dass der Klägerin schon aus Rechtsgründen keine deliktischen Schadensersatzansprüche zustünden. Es fehle an einer Eigentumsverletzung im Sinne von § 823 I BGB:

„Denn aus dem Klagevorbringen ergebe sich keine Verletzung des Eigentums der Kl. Hiernach sei infolge des Einbaus der angeblich fehlerhaften Transistoren weder, wie bei einem “weiterfressenden Mangel”, durch einen abgrenzbaren schadhaften Teil einer Gesamtsache nachträglich ein Schaden an den zunächst intakten Teilen der Sache entstanden, noch habe, wie im Rechtsstreit BGHZ 117 183 = NJW 1992, 1225 = LM H. 11-1992 § 823 (Ac) BGB Nr. 53, bei einer durch den Einbau eines defekten Teils funktionsunfähigen Gesamtsache eine wirtschaftlich sinnvolle Reparatur zwangsläufig zu einer Beschädigung bisher nicht defekter Teile der Sache geführt. Vielmehr sei nach dem Vorbringen der Kl. der Schaden hier bereits bei der Herstellung der Steuergeräte unter Verwendung der schadhaften Transistoren eingetreten, da eine Reparatur mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht möglich gewesen sei. Damit habe es schon von Anfang an keine funktionsfähigen Steuergeräte gegeben. In einem solchen Fall bestehe aber jedenfalls bezüglich des hier geltend gemachten, auf der Funktionsunfähigkeit der Steuergeräte beruhenden Schadens kein deliktischer Ersatzanspruch.“

Der BGH hatte damit die folgende Frage zu beantworten:

„Kommt eine Eigentumsverletzung (bereits) durch die Verbindung einer fehlerfreien mit den fehlerhaften Bestandteilen einer Gesamtsache in Betracht?“

 

C. Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?

Der BGH bejaht im Transistor-Fall (Urt. v. 31.3.1998 – VI ZR 109/97 (BGHZ 138, 230 ff.)) einen deliktischen Anspruch aus § 823 I BGB auf Ersatz desjenigen Schadens, der der Klägerin durch eine Verletzung des Eigentums an den zusammen mit den Transistoren in die Steuergeräte eingebauten weiteren Bestandteilen entstanden ist. Werden bei der Anfertigung einer neuen Sache – so der BGH – die dazu dienenden einwandfreien Teile des Herstellers durch ihre Verbindung mit den hierzu bestimmten, jedoch mangelhaften Teilen eines Zulieferers unbrauchbar, so tritt bereits im Zeitpunkt der Verbindung eine Verletzung des Eigentums an den zuvor unversehrten Bestandteilen ein.

 

Es sei zunächst zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Verletzung des Eigentums an einer Sache nicht zwingend einen Eingriff in die Sachsubstanz voraussetze; sie könne auch durch eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Sache erfolgen. Das sei hier der Fall:

“Eine solche Beeinträchtigung der Kl. in der Verwendbarkeit ihrer vor dem Zusammenbau mit den Transistoren funktionstüchtigen anderen Einzelteile der Steuergeräte ist hier durch die Zusammenfügung eingetreten. Denn diese Teile können nach dem insoweit übereinstimmenden Sachvortrag beider Parteien nicht mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand aus den funktionsuntüchtigen Steuergeräten wieder ausgebaut und deshalb von der Kl. nicht mehr in anderer Weise genutzt werden.“

 

Auf die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen bei der Prüfung der rechtlichen Auswirkungen einer solchen Beeinträchtigung der Verwendbarkeit beim Zusammenbau mehrerer Einzelteile auf diese einzelnen Teile geschaut werden darf oder ob insoweit allein auf die Möglichkeit zu einer Nutzung der Gesamtsache abzustellen ist, kommt es nicht an. Die in der vom Berufungsgericht angeführten Kondensator-Entscheidung aus dem Jahr 1992 (BGHZ 117, 183 (189)) als nicht entscheidungserheblich offen gelassene Frage, ob eine Eigentumsverletzung bereits durch die Verbindung der fehlerfreien mit den fehlerhaften Bestandteilen der Gesamtsache eingetreten ist, sei jedenfalls für Sachgestaltungen der hier vorliegenden Art zu bejahen:

„Sind nämlich, wie im Streitfall, zuvor unversehrt im Eigentum des Herstellers der Gesamtsache stehende Einzelteile durch ihr unauflösliches Zusammenfügen mit fehlerhaften anderen Teilen nicht nur in ihrer Verwendbarkeit, sondern erheblich in ihrem Wert beeinträchtigt worden, hier sogar gänzlich wertlos geworden, so ist bereits dadurch ebenso wie bei der Zerstörung ihrer Substanz eine Eigentumsverletzung eingetreten. Dies hat der erkennende Senat u. a. bereits für das Auftragen fehlerhafter Lacke auf dadurch in ihrem Wert geschädigte Möbel ausgesprochen (Senat, NJW­RR 1992, 283, Nichtannahme­Beschl. zu OLG Düsseldorf, VersR 1992, 100; Senat, NJW 1996, 2507 = LM H. 10-1996 § 823 [J] BGB Nr. 45 = VersR 1996, 1116 [1117]; s. auch Dunz, Anm. zu BGHZ 117, 183 = NJW 1992, 1225 = LM H. 11-1992 § 823 [Ac] BGB Nr. 53, in: JR 1992, 470 [471]). Für die im Streitfall durch den Zusammenbau zu den Steuergeräten wertlos gewordenen Einzelteile der Kl. kann nichts anderes gelten.“

 

Dass die Klägerin durch die Herstellung der Steuergeräte gem. § 950 I BGB originäres Eigentum an diesen von vornherein unbrauchbaren Geräten erworben hat und dass deshalb, wie auch bei einer Verbindung nach § 947 BGB, insoweit eine “Stoffgleichheit” zwischen Schaden und Mangelunwert vorliegt, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen:

„Denn die Überlegung, in welcher Weise die Kl. das Eigentum an den Steuergeräten erworben hat, ist ohne Belang für die im Streitfall allein entscheidungserhebliche Frage, ob durch den Zusammenbau der Steuergeräte eine Verletzung des bereits vor diesem Zeitpunkt bestehenden Eigentums der Kl. an den in diese Geräte eingebauten unversehrten Teilen eingetreten ist.

(a) Eine Eigentumsverletzung der Kl. würde zudem nicht einmal dann ausgeschlossen sein, wenn den beschädigten Sachen bereits im Zeitpunkt der auf sie erfolgten Einwirkung keine sachenrechtliche Selbständigkeit mehr zugekommen wäre. Wie der erkennende Senat bereits ausgeführt hat, müssen sachenrechtliche Zuordnungsvorschriften für das Schadensrecht nicht unbedingt maßgeblich sein (BGHZ 102, 322 [326] = NJW 1988, 1835 = LM § 249 [Cb] BGB Nr. 36). Aus diesem Grunde wird von der Rechtsprechung, wie sich u. a. aus der Entscheidung BGHZ 117, 183 (188 ff.) = NJW 1992, 1225 = LM H. 11-1992 § 823 (Ac) BGB Nr. 53, ergibt, bei der Frage nach einer Verletzung des Eigentums an Einzelteilen einer Sache auch nicht entscheidend auf deren sachenrechtliche Selbständigkeit abgestellt (s. dazu Foerste, in: v. Westphalen, Produkthaftungs­Hdb. I, 2. Aufl., § 21 Rdnr. 103). Maßgeblich ist vielmehr die im Wege einer wertenden Ausgrenzung zu beantwortende Frage, ob durch die Beschädigung oder Zerstörung solcher Einzelteile das Integritäts­ oder allein das Äquivalenzinteresse des Eigentümers beeinträchtigt worden ist (vgl. BGHZ 86, 256 [258 ff.] = NJW 1983, 810 = LM § 823 [Ac] BGB Nr. 36; s. auch Schlechtriem, BGH EWiR § 823 BGB 5-92, 347 [348]).“

 

Abschließend nimmt der BGH auf das bekannte Abgrenzungskriterium der Stoffgleichheit Bezug. Eine Stoffgleichheit sei hier indes zu verneinen:

„Dabei ist in Fällen der Beschädigung oder Zerstörung von Einzelteilen insbesondere auch zu prüfen, ob zwischen dem Mangelunwert der (Gesamt­)Sache und dem eingetretenen Schaden eine völlige “Stoffgleichheit” besteht (vgl. u. a. Senat, NJW 1985, 2420 = VersR 1985, 837 f.). Dies ist gemäß den obigen Ausführungen regelmäßig zu verneinen, wenn den zum Einbau in eine Gesamtsache bestimmten einwandfreien Teilen durch den Zusammenbau mit fehlerhaften anderen Teilen eine ihnen zuvor zukommende Verwendbarkeit in einer Weise genommen wird, daß sie dadurch gänzlich wertlos werden (vgl. Senat, NJW 1985, 2420 = VersR 1985, 837, und Senat, NJW 1992, 1678 = LM H. 1-1992 § 823 [Ac] BGB Nr. 54 = VersR 1992, 758 [759]; s. auch Kullmann, in: Kullmann-Pfister, Produzentenhaftung, KzA 1512-15; Schlechtriem, BGH EWiR § 823 BGB 2-94, 135 [136]; Hinsch, VersR 1992, 1053 [1054]).“

 

D. Fazit

Der Transistor-Fall setzt die Abgrenzung zwischen Integritäts- und Äquivalenzinteresse im Deliktsrecht in Anlehnung an den Schwimmerschalter-Fall und den Gaszug-Fall fort, seine Lösung ist in der Literatur indes nach wie vor umstritten.