BGH zur Verjährung des Anspruchs aus § 179 I BGB

A. Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)

K interessierte sich für den Bau eines Eigenheims und nahm auf eine Anzeige hin Kontakt zu B auf. Am 2. Mai 2013 unterzeichnete K als Auftraggeber einen Bauvertrag über die Errichtung einer Null-Energie-Doppelhaushälfte für einen Pauschalpreis von 300.000 Euro brutto. Nach § 5 des Vertrags sollten Zahlungen des Auftraggebers nach Erteilung einer Abschlagsrechnung/Schlussrechnung durch den Auftragnehmer auf ein Konto des B erfolgen. B zeichnete das Vertragsformular, in dem die D-GmbH als Auftragnehmerin ausgewiesen war, am 5. Mai 2013 gegen und sandte es an K zurück.

Nachdem K auf Nachfrage von der D-GmbH erfahren hatte, dass diese nur als Subunternehmerin tätig sei, von einem zwischen ihnen geschlossenen Bauvertrag keine Kenntnis habe und einen solchen auch nicht geschlossen hätte oder schließen wolle, untersagte er mit Anwaltsschreiben vom 11. November 2013 dem B das Betreten des Baugrundstücks. Am 18. November 2013 nahm er die Doppelhaushälfte in Besitz und ließ die Schlösser austauschen.

Mit dem B am 7. Dezember 2016 zugestellter Klage hat K gegen B „als Vertreter ohne Vertretungsmacht einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 179 I BGB, hilfsweise aus ungerechtfertigter Bereicherung“, in Höhe von 200.000 € geltend gemacht. Dabei hat K den Schaden in der Weise berechnet, dass er von dem Gesamtbetrag der von ihm im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrags erbrachten Zahlungen (300.000 Euro) den seiner Auffassung nach gegebenen Wert der bereits ausgeführten Bauleistungen (100.000 Euro) abgezogen hat.
Mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 27. Januar 2017 hat er seinen – in der Höhe unveränderten – Schaden sodann mit dem erforderlichen Mehraufwand für die Fertigstellung des Bauvorhabens begründet.
B beruft sich auf die Einrede der Verjährung.

Ist die Klage begründet?

B. Die Entscheidung des BGH (Versäumnisurt. v. 18.5.2017 – VII ZR 122/14)

I. Anspruch aus § 179 I BGB

K könnte ein Anspruch gegen B auf Zahlung von aus § 179 I BGB zustehen.

1. Anspruchsbegründender Tatbestand

B hat mit K den Bauvertrag im Namen der D-GmbH geschlossen, ohne dafür von der D-GmbH dafür bevollmächtigt gewesen zu sein oder sonst über eine Vertretungsmacht zu verfügen. Die D-GmbH hat K mitgeteilt, keinen Vertrag schließen zu wollen; darin liegt eine Verweigerung der Genehmigung des Vertrages. Daher ist B dem K dem Grunde nach nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet. K hat das Wahlrecht ausgeübt und verlangt Schadensersatz.

2. Einrede der Verjährung

Möglicherweise kann sich B aber erfolgreich auf die Einrede der Verjährung berufen mit der Folge, dass der Anspruch nicht mehr durchsetzbar ist (§ 214 BGB).

a. Verjährungsfrist

In einer Entscheidung aus dem Jahr 1979 hat der BGH – in Abweichung einer früheren Entscheidung des Reichsgerichts – entschieden, dass der Anspruch aus § 179 I BGB in der Frist verjähre, die für den Erfüllungsanspruch aus dem Vertrage gegolten hätte, der mangels Vollmacht des Vertreters und Genehmigung durch den Vertretenen nicht wirksam geworden ist. Der Anspruch aus § 179 I BGB sei nur „Ersatz des ursprünglich Bedungenen”:

„So verjähren Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung oder verspäteter Erfüllung eines Vertrages in derselben Frist wie der vertragliche Erfüllungsanspruch, weil es sich dabei um einen „Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen” handelt (…). Entsprechendes gilt für die Ansprüche aus einem Vorvertrag (…), auf Ersatz des Vertrauensschadens nach §§ 122 I, 307 I BGB (…), aus Verschulden bei Vertragsschluß (…) und aus § 2 AbzG (…).
b) Für die Ansprüche aus § 179 BGB gut dies gleichfalls.
aa) Der tragende Grund für die Haftung nach dieser Vorschrift liegt darin, daß der vollmachtlose Vertreter beim anderen Teil Vertrauen veranlaßt und enttäuscht hat (Steffen, § 179 Anm. 7). Er haftet zwar kraft Gesetzes (…); letztlich hat er aber nur dafür einzustehen, daß es mangels Vollmacht zu einem Vertrage nicht gekommen ist und demgemäß vertragliche Ansprüche nicht entstanden sind. Auch die gegenüber dem vollmachtlosen Vertreter vorgesehenen Ansprüche sind danach nur „Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen”.
bb) Soweit der vollmachtlose Vertreter nur für den Ersatz des Vertrauensschadens haftet (§ 179 II BGB), hat er für die Fehlerhaftigkeit seiner Erklärung ebenso einzustehen wie unter den vergleichbaren Voraussetzungen des § 122 I BGB oder des Verschuldens bei Vertragsschluß, eines Rechtsgrundsatzes, der gerade auch aus den §§ 122, 179 BGB entwickelt worden ist. Für eine unterschiedliche Behandlung dieser Fälle besteht kein vernünftiger Grund. Das neuere Schrifttum nimmt denn auch, wie bereits ausgeführt, nahezu einhellig an, daß der Ersatzanspruch aus § 179 II BGB in der kurzen Frist des „Ursprungsgeschäfts” verjährt.
cc) Für die in § 179 I BGB erwähnten Ansprüche ist eine abweichende Verjährung nicht gerechtfertigt. Daß nach dieser Vorschrift die Erfüllung des Vertrages oder Ersatz des positiven Interesses verlangt werden kann, begründet keinen wesensmäßigen Unterschied der Ansprüche, betrifft vielmehr - jedenfalls soweit der Schadenersatzanspruch in Rede steht - nur die Frage nach dem Schadensumfang und der Schadensberechnung (…).“ (BGH NJW 1979, 1161)

Danach unterfällt der Anspruch des K aus § 179 I BGB – ebenso wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch (§ 631 I BGB) – der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB). Der Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 I BGB bestimmt sich nach dem Schluss des Jahres, in dem die Genehmigung des Vertrages verweigert wurde. Die Verjährung begann damit zum 31.12.2013 und endete am 31.12.2016 (§§ 187 I, 188 II BGB). Im Jahr 2017 war die Verjährungsfrist damit eigentlich bereits abgelaufen.

b. Hemmung der Verjährung

Möglicherweise könnte aber die Verjährung durch Erhebung der Klage (§§ 253 I, 261 I ZPO) am 7.12.2016 gehemmt worden sein (§ 204 I Nr. 1 BGB). Die Hemmung erfasst nach § 204 I Nr. 1 BGB indes nur den „Anspruch“; dabei handelt es sich um den Streitgegenstand, der nach dem herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt bestimmt wird:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hemmt die Erhebung der Klage nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 93/04 , NJW 2005, 2004, 2005, […] Rn. 15 m.w.N.). Der Streitgegenstand wird grundsätzlich durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Klagegrund bestimmt. Klagegrund ist der tatsächliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Hierzu sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen dieses Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen sind oder nicht (st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Urteile vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08 ,BauR 2009, 1901Rn. 13 = NZBau 2009, 771 [BGH 10.09.2009 - VII ZR 152/08] ; vom 24. Januar 2008 - VII ZR 46/07 ,BauR 2008, 869, 870, […] Rn. 15 = NZBau 2008, 325; vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91 , BGHZ 117, 1, 5 ff. , […] Rn. 14 ff., jeweils m.w.N.).“

K hat seine Klageschrift ausdrücklich in erster Linie darauf gestützt, dass er gegen B als Vertreter ohne Vertretungsmacht “Schadensersatzansprüche gem. § 179 I BGB” habe. Damit wurde die Hemmung des Anspruchs rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist bewirkt.

Allerdings hat K im Jahr 2017 die Berechnung seines Schadensersatzanspruchs geändert. Fraglich ist, ob sich daraus Konsequenzen für die Verjährungshemmung ergeben. Das wäre dann der Fall, wenn sich dadurch – im Vergleich zu der ursprünglichen Klageschrift – der Streitgegenstand geändert hätte; dann wäre das ein anderer „Anspruch“ im Sinne von § 204 I Nr. 1 BGB. K hat seinen Antrag nicht geändert; eine Klageänderung läge daher nur vor, wenn sich dadurch der Lebenssachverhalt verändert hätte.

Der BGH verneint jedoch eine Klageänderung iSv §263 ZPO. Weder der Zahlungsantrag noch der Kern des in der Klageschrift angeführten, dem Schadensersatzbegehren zugrunde liegenden Lebenssachverhalts hätten sich im Laufe des Verfahrens geändert. Vielmehr habe K lediglich – ohne Änderung des Klageantrags – die Berechnung seines Schadens geändert. Während er zunächst das negative Interesse verlangt hatte, mache er nun das positive Interesse geltend. Dabei handele es sich indes um den identischen Streitgegenstand, weswegen die Änderung der Berechnung für die Hemmung der Verjährung irrelevant sei:

„Wechselt ein Kläger nur die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Klageantrag zu erweitern oder diesen auf einen anderen Lebenssachverhalt zu stützen, liegt keine Änderung des Streitgegenstands vor (vgl. BGH, Urteile vom 14. Mai 2012 - II ZR 130/10 ,BauR 2012, 1644Rn. 20 = NZBau 2012, 567 [BGH 14.05.2012 - II ZR 130/10] und vom 24. Januar 2002 - III ZR 63/01 , BGHReport 2002, 397, […] Rn. 10, jeweils zum Übergang vom positiven zum negativen Interesse; BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 88/90 , BGHZ 115, 286, 291 f. , […] Rn. 21, zum Übergang vom großen zum kleinen Schadensersatz; BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 - I ZR 107/90 , BGHZ 119, 20, 23 , […] Rn. 23 - Tchibo/Rolex II, zum Übergang vom Verletzergewinn auf entgangene Lizenz). Es stellt danach keine Änderung des Streitgegenstands dar, wenn ein Kläger seinen gemäß § 179 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Schaden zunächst nach dem negativen Interesse (Vertrauensschaden) berechnet und im Laufe des Verfahrens die Berechnung dahingehend ändert, dass er nunmehr statt dessen Ersatz des positiven Interesses (Erfüllungsinteresses) begehrt, sofern Klageantrag und Lebenssachverhalt unverändert bleiben.

Eine solche Konstellation liegt im Streitfall vor. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat sich der Kläger in der Klageschrift … nicht auf einen bereicherungsrechtlichen Anspruch beschränkt. Er hat vielmehr von Beginn an einen Schadensersatzanspruch gemäß § 179 Abs. 1 BGB geltend gemacht. Der Anspruch gemäß § 179 Abs. 1 BGB umfasst das positive Interesse (Erfüllungsinteresse). Der Kläger hat jedoch seinen Schaden zunächst in der Weise berechnet, dass er von dem Gesamtbetrag der von ihm im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrags erbrachten Zahlungen den seiner Auffassung nach gegebenen Wert der bereits ausgeführten Bauleistungen abgezogen hat. Er hat damit Ersatz des negativen Interesses geltend gemacht. Nunmehr berechnet der Kläger stattdessen seinen Mehraufwand gegenüber der im unwirksamen Vertrag vorgesehenen Vergütung für die Fertigstellung des Objekts und begehrt damit das von § 179 Abs. 1 BGB umfasste positive Interesse (Erfüllungsinteresse). Darin liegt eine bloße Änderung der Art der Schadensberechnung mit geänderten Schadensfaktoren auf der Grundlage des auf dem gleichen Lebenssachverhalt beruhenden und in unveränderter Höhe geltend gemachten Schadensersatzanspruchs gemäß § 179 Abs. 1 BGB .“

3. Ergebnis

Der Anspruch aus § 179 I BGB ist wegen der weiterhin bestehenden Hemmung (§ 204 I Nr. 1 BGB) nicht verjährt, weswegen die Erhebung der Einrede ins Leere geht. Die Klage ist aus § 179 I BGB begründet.

II. Anspruch aus §§ 280 I, 311 II, III, 241 II BGB

K könnte zudem ein Anspruch aus §§ 280 I, 311 II, III, 241 II BGB zustehen. Es sprechen allerdings gute Gründe dafür, die vorvertragliche Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht wegen Spezialität des § 179 BGB auszuschließen. Dafür kann man insbesondere anführen, dass andernfalls der Haftungsausschluss aus § 179 III 1 BGB, der im Recht der vorvertraglichen Haftung keine Entsprechung findet (dort gilt § 254 BGB), untergangen werden könnte.

C. Fazit

Der Fall behandelt ausbildungsrelevante Fragen des Stellvertretungs- und Verjährungsrechts. Wegen der Kombination von materiellem Recht mit Fragen des Prozessrechts sollten sich insbesondere Referendarinnen und Referendare intensiver mit dieser Entscheidung auseinandersetzen.