OVG Münster: Wie weit reicht die Erlaubnispflicht nach § 29 II StVO?

A. Sachverhalt (leicht abgewandelt)
K ist Eigentümerin von „Schloss M“ in X. Auf dem Grundstück veranstaltet K seit mehreren Jahren an zwei Wochenenden im Dezember einen Weihnachtsmarkt, der auch im Jahr 2015 stattfinden soll. Zu der Veranstaltung werden in der Regel rund 10.000 Besucher erwartet. Um das durch die An- und Abfahrt von Besuchern des Weihnachtsmarkts im Umfeld des Veranstaltungsortes stark ansteigende Verkehrsaufkommen zu bewältigen, verfolgt die Stadt B als zuständige Behörde ein Verkehrskonzept, das seit 1996 an den Tagen des Weihnachtsmarkts u.a. eine Sperrung der Zugangsstraßen zum Stadtteil M mit Ausnahme für den Anliegerverkehr vorsieht.

Im November 2015 erfolgt die Festsetzung des Weihnachtsmarkts 2015 als „Spezialmarkt/Weihnachtsmarkt“ nach § 69 I GewO. Mit Bescheid vom 28.11.2015 erteilt B der K die Erlaubnis für die Durchführung des Weihnachtsmarkts am 12./13. Dezember 2015 und am 19./20. Dezember 2015. Der Bescheid stützt sich ausschließlich auf § 29 StVO und enthält zudem insgesamt 20 Nebenbestimmungen. Danach hat K als Veranstalterin u.a. dem Straßenbaulastträger alle Kosten zu ersetzen, die diesem durch die Sondernutzung zusätzlich entstehen und eine Veranstalter-Haftpflichtversicherung abzuschließen.

Nach Ende des Weihnachtsmarktes erhebt K am 28.12.2015 Klage und beantragt, festzustellen, dass die Durchführung des Weihnachtsmarktes keiner Erlaubnis nach § 29 StVO bedürfe.
Sie wolle auch im Jahr 2016 und in der Zukunft wieder einen Weihnachtsmarkt durchführen. Es sei zu erwarten, dass B eine Erlaubnis mit den inhaltlich gleichen Auflagen und Bedingungen erteilen werde. Der Weihnachtsmarkt bedürfe aber keiner solchen Erlaubnis. Er finde auf ihrem Privatgelände und nicht auf der öffentlichen Straße statt. Die öffentlichen Straßen würden von den Besuchern nur insoweit benutzt, als sie zum Weihnachtsmarkt hingingen und den Weihnachtsmarkt wieder verließen, wie dies etwa bei Theaterbesuchern der Fall sei.

Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?

B. Die Entscheidung des OVG Münster (Urt. v. 30.09.2015, Az. 11 A 27/14)

Die Klage hat Erfolg, soweit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet und die Klage zulässig und begründet ist.

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges
Nach § 40 I VwGO müsste es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handeln. Streitentscheidende Norm ist § 29 II StVO. Dabei handelt es sich um eine Vorschrift, die ein bestimmtes Verhalten von einer behördlichen Erlaubnis abhängig macht und damit um eine dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Norm. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.

II. Zulässigkeit der Klage
Die statthafte Klageart bestimmt sich nach dem Klagebegehren (§ 88 VwGO). K möchte die Feststellung erreichen, dass die Durchführung des Weihnachtsmarktes keiner Erlaubnis nach § 29 II StVO bedarf. Als statthafte Klageart kommt daher die Feststellungsklage gemäß § 43 I VwGO in Betracht, wonach das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden kann. Das BVerwG definiert das Rechtsverhältnis wie folgt:

„Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG sind unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (…). Dagegen bilden Tatbestandsmerkmale, von deren Vorliegen die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten abhängen, kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.“ (Urt. v. 20.11.2003 – Az. 3 C 44/02)

Die Frage, ob die Durchführung des Weihnachtsmarktes einer Erlaubnis nach § 29 II StVO bedarf, ist danach ein konkretes und zwischen K und B streitiges Rechtsverhältnis. Ein Feststellungsinteresse der K ergibt sich daraus, dass sie auch in Zukunft den Weihnachtsmarkt veranstalten möchte (Wiederholungsgefahr).

Fraglich ist aber, ob der Zulässigkeit der Feststellungsklage der Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht. Nach § 43 II VwGO ist eine Feststellungsklage nur zulässig, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. In Betracht kommt hier die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28.11.2015 mit einer Anfechtungsklage oder – nachdem sich der Bescheid durch Durchführung des Weihnachtsmarktes erledigt hat (vgl. § 43 II VwVfG) – Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 I 4 VwGO analog). Nach Auffassung des OVG stehen diese prozessualen Möglichkeiten der Zulässigkeit der Feststellungsklage aber nicht entgegen:

„Die von der Klägerin erstrebte Feststellung, sie bedürfe einer solchen Erlaubnis nicht, kann mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage - namentlich einer Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den ihr am 28. November [2015] erteilten Bescheid - nicht in gleicher Weise geklärt werden. Durch eine Fortsetzungsfeststellungsklage könnte lediglich festgestellt werden, dass der auf die Durchführung des … Weihnachtsmarkts im Dezember [2015] bezogene Bescheid rechtswidrig gewesen ist. Im Rahmen dieser Fortsetzungsfeststellungklage wäre die Erlaubnispflicht des Weihnachtsmarkts nach § 29 II StVO zwar als Vorfrage der Rechtmäßigkeit des durch Zeitablauf erledigten Verwaltungsaktes zu prüfen. Die Entscheidung dieser Vorfrage würde jedoch nicht gemäß § 121 VwGO in Rechtskraft erwachsen und die Beteiligten insoweit nicht binden.“

Das BVerwG fordert zudem – was umstritten ist – zusätzlich zum Feststellungsinteresse eine Klagebefugnis (§ 42 II VwGO analog). So hat es in einer Entscheidung aus dem Jahre 1996 ausgeführt:

„Ein Rechtsschutzbegehren ist ohne Rücksicht auf die Klageart nur dann zulässig, wenn es sich auf Rechte stützt, die gerade dem Kläger zustehen können (…). Zwar ist das in § 43 I VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung nicht gleichbedeutend mit einem “rechtlichen Interesse”, sondern schließt darüber hinaus jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art, ein. Daraus folgt indessen nicht, daß jeder in diesem Sinne Interessierte auch ohne eigene Rechtsbetroffenheit Feststellungsklage erheben kann. Auf diese Klage ist vielmehr - wie das BVerwG in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (…) - die Vorschrift des § 42 II VwGO entsprechend anzuwenden. Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 43 I Alt. 1 VwGO) sind nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein, entweder weil er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist oder weil von dem Rechtsverhältnis eigene Rechte abhängen (…). Gleichermaßen ist § 42 II VwGO auf die allgemeine Leistungsklage entsprechend anzuwenden (…). Ob nach Erledigung einer allgemeinen Leistungsklage ein Fortsetzungsfeststellungsantrag in entsprechender Anwendung des § 113 I 4 VwGO gestellt werden kann, mag dahinstehen.“ (Urt. v. 26.01.1996 - Az. 8 C 19/94)

Die Klagebefugnis lässt sich daraus herleiten, dass K möglicherweise in ihrem (einfachgesetzlichen) Anspruch verletzt ist, den Weihnachtsmarkt erlaubnisfrei durchzuführen. Deswegen kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob man sich der Ansicht des BVerwG anschließt oder nicht.
Die Feststellungsklage ist damit zulässig.

III. Begründetheit

Die Klage ist begründet, wenn die Durchführung des Weihnachtsmarktes keiner Erlaubnis nach § 29 II StVO bedarf, also nicht erlaubnispflichtig ist. Auf eine Erlaubnispflicht oder die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmungen nach anderen Vorschriften als § 29 II StVO (etwa nach § 69a GewO) kommt es nicht an. K hat ihren Feststellungsantrag auf die Frage der Erlaubnispflicht nach § 29 II StVO beschränkt und damit in zulässiger Weise von ihrer Dispositionsbefugnis Gebrauch gemacht:

„Streitgegenstand ist allein die Frage, ob der von der Klägerin jährlich veranstaltete Weihnachtsmarkt der Erlaubnispflicht nach § 29 II StVO unterliegt. Der Umfang der Rechtshängigkeit wird durch den Streitgegenstand bestimmt, der durch die Klage anhängig gemacht wurde. Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, d.h. das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhaltes an das Gericht gerichtete Begehren um Rechtsschutz durch Erlass eines Urteils mit einem bestimmten Inhalt (sog. zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff).
Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Dispositionsbefugnis (nur) einen Anspruch auf Feststellung der fehlenden Erlaubnispflicht ihres jährlich durchgeführten Weihnachtsmarkts nach § 29 II StVO anhängig gemacht. Ihr Begehren ist nicht darauf gerichtet zu klären, ob die mit der von der Beklagten erteilten Erlaubnis verbundenen Nebenstimmungen auch auf gewerberechtliche Vorschriften gestützt werden können. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung von Nebenbestimmungen nach § 29 II S. 3 StVO und § 69a II GewO nicht deckungsgleich sind; daher wären auf der Rechtsfolgenseite auch unterschiedliche Ermessenserwägungen anzustellen.“

Nach § 29 II 1 StVO bedürfen Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, der Erlaubnis.

1. Weihnachtsmarkt als Veranstaltung
Zunächst müsste es sich bei dem Weihnachtsmarkt um eine Veranstaltung handeln. Dagegen könnte sprechen, dass sich der Weihnachtsmarkt selbst nicht beweg, sondern ortsfest („stationär“). Allerdings besteht überwiegend Einigkeit darüber, dass auch stationäre Veranstaltungen Veranstaltungen im Sinne von § 29 II StVO sein können. So hat das BVerwG in einer Entscheidung aus dem Jahre 1989 ausgeführt:

„Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist hierfür erforderlich, aber auch ausreichend, daß die Inanspruchnahme der Straße mit einem gewissen Aufwand und Umfang verbunden ist (vgl. Urt. v. 22.01.1971 - 7 C 61.70, Buchholz 442.15 § 5 StVO Nr. 3). Dagegen beschränkt sich die Vorschrift nicht auf solche Veranstaltungen, die zum Straßenverkehr “im engeren Sinn” gehören, zu dem das VG nur die Betätigungen rechnet, die der Fortbewegung von Personen und Gütern zur Überwindung von Entfernungen dienen, einschließlich des ruhenden Verkehrs (in diesem eingeschränkten Sinn im Anschluß an OLG Karlsruhe, VRS 53, 472 auch die überwiegende Ansicht der straßenverkehrsrechtlichen Lit., z.B. Jagusch-Hentschel, StraßenverkehrsR, 29. Aufl. (1987), § 29 StVO Rn. 5; Rüth-Berr-Berz, StraßenverkehrsR, 2. Aufl. (1988), § 29 StVO Rn. 3; Drees-Kuckuk-Werny, StraßenverkehrsR, 6. Aufl. (1988), § 29 StVO Rn. 2a; Müller, StraßenverkehrsR, Bd. III, 22. Aufl. (1973), § 29 Rn. 4; Mühlhaus-Janiszewski, StVO, 11. Aufl. (1988), § 29 Rn. 3; a.A. Kodal-Krämer, StraßenR, 4. Aufl. (1985), S. 545). Der Begriff der Veranstaltung ist vielmehr weit zu verstehen und erfaßt jegliche, auch “stationäre” Vorgänge, durch die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden.“ (Urt. v. 21.04.1989 – Az. 7 C 50.88)

2. Mehr als verkehrsübliche Inanspruchnahme der Straße
Bei dem Weihnachtsmarkt müsste es sich zudem um eine Veranstaltung handeln, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden (§ 29 II 1 StVO). Das ist nach § 29 II 2 StVO der Fall, wenn die Benutzung der Straße für den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmenden oder der Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge eingeschränkt wird.

Der Weihnachtsmarkt selbst nimmt nicht die Straße unmittelbar in Anspruch; er findet nicht „auf“ der Straße statt. Vielmehr werden die Straßen nur mittelbar und anlässlich des Weihnachtsmarktes durch den Besucherverkehr in Anspruch genommen. Fraglich ist, ob diese mittelbare Inanspruchnahme ausreicht, um die Erlaubnispflicht nach § 29 II StVO auszulösen, oder ob § 29 II StVO nicht vielmehr nur Veranstaltungen „auf“ der Straße erfassen wolle.

a. Wortlaut
Das OVG führt zunächst aus, dass der Wortlaut im Ausgangspunkt beide Interpretationen ermögliche:

„Die einleitende Präposition des Relativsatzes in § 29 II StVO „für“ kann jedenfalls auch ein Kausalitätsverhältnis „wegen“ ausdrücken. Veranstaltungen, „wegen“ derer Straßen in Anspruch genommen werden, umfassen entsprechend ihrem Wortsinn grundsätzlich auch Veranstaltungen außerhalb des Straßenraums.
Allerdings dürfte die weitere Frage, ob die Benutzung der Straße durch den hohen Besucherzustrom das Tatbestandsmerkmal der mehr als verkehrsüblichen Inanspruchnahme der Straße erfüllt, eher zu verneinen sein. Nicht mehr verkehrsüblich ist ein Verkehrsvorgang, dem der Verkehrsbezug fehlt.
Soweit die an- und abfahrenden bzw. ankommenden und weggehenden Besucher einer Veranstaltung - wie die eines Weihnachtsmarkts auf einem privaten Gelände - sich auf der Straße fortbewegen oder soweit sie am ruhenden Verkehr teilnehmen, fehlt diesen Verkehrsvorgängen nicht der Verkehrsbezug und damit auch nicht die Verkehrsüblichkeit.
Derartige Verkehrsvorgänge dürften auch nicht unter die in § 29 II S. 2 1. Hs. StVO genannten Fallbespiele der mehr als verkehrsüblichen Benutzung der Straßen zu subsumieren sein. Soweit einzelne Besucher wegen ihres „Verhaltens“ oder ihrer „Fahrweise“ Verkehrsüberschreitungen verursachen, tun sie dies nicht, weil die Veranstaltung - wie hier der Weihnachtsmarkt auf einem privaten Gelände - auf dieses Verhalten der Teilnehmenden oder die Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge abzielte oder dieses bezweckte, so wie das etwa bei motorsportlichen Veranstaltungen der Fall ist, sondern vielmehr aus anderen Gründen.
Ob durch einen erhöhten Quell- und Zielverkehr, der durch eine auf einem Privatgelände stattfindende Veranstaltung verursacht wird, grundsätzlich schon das außerdem in § 29 II S. 2 1. Hs. StVO genannte Fallbeispiel „wegen der Zahl … der Teilnehmenden“ erfüllt ist, lässt sich ebenfalls nicht eindeutig bejahen.“

b. Historische Auslegung
Die historische Auslegung spreche dafür, dass eine mittelbare Inanspruchnahme von Straßen nicht von § 29 II StVO erfasst werde; § 29 II StVO wolle nur Veranstaltungen „auf“ der Straße der Erlaubnispflicht unterwerfen:

„Die Entstehungsgeschichte der Straßenverkehrsordnung bestätigt die Auslegung, dass unter § 29 II StVO nur solche Veranstaltungen fallen, die auf der Straße stattfinden, d.h. für die die Straße unmittelbar und nicht nur mittelbar benutzt wird. § 29 II StVO geht auf § 5 StVO v. 13.11.1937 (RGBl. I S. 1179) zurück. Diese Regelung war überschrieben mit „Veranstaltungen auf öffentlichen Straßen“ (Hervorhebung durch den Senat) und sah in ihrem Absatz 1 vor: Veranstaltungen, für die öffentliche Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, bedürfen polizeilicher Erlaubnis. Der Verordnungsgeber hat diese Regelung in die Straßenverkehrsordnung v. 24.08.1953 (BGBl. I S. 1166) - mit Ausnahme des Worts „polizeilicher“, das er durch „der“ ersetzt hat - mit im Übrigen unverändertem Wortlaut zunächst in § 5 I StVO und sodann mit der Neufassung der Straßenverkehrsordnung v. 16.11.1970 (BGBl. I S. 1565) in § 29 II S. 1 StVO übernommen und bis heute so belassen. In der Begründung zur Novellierung der Straßenverkehrsordnung 1970 führte der Verordnungsgeber diesbezüglich aus: „Im übrigen bringt der Absatz geltendes Recht“, vgl. Begründung zur Straßenverkehrsordnung, VkBl 1970, 815, und zeigte damit, dass er dem bisherigen Regelungsgehalt der Vorschrift unverändert Geltung verschaffen wollte.“

c. Systematik
Die Sytematik des Gesetzes spreche gegen die Anwendung von § 29 II StVO. Dafür zieht das OVG vor allem den Zusammenhang mit § 29 I und III StVO sowie einen Vergleich mit den Verbotstatbeständen der §§ 32, 33 StVO heran:

„Der systematische Zusammenhang mit den Absätzen 1 und 3 zeigt, dass die Vorschrift als Regelfall den Verkehr mit Fahrzeugen und demgemäß Veranstaltungen „auf der Straße“ im Auge hat.
Auch mit Blick auf die innere Systematik des Absatzes 2 drängt sich nicht die Annahme auf, es sollten auch solche Veranstaltungen erfasst werden, die nicht auf der Straße selbst stattfinden. Wenn Satz 1 von Veranstaltungen spricht, für die Straßen mehr „als verkehrsüblich“ in Anspruch genommen werden, so sollen damit zwar gerade die Aktivitäten erfasst werden, die über den „normalen Verkehr“ hinausgehen, mithin auch solche, die „verkehrsfremd“ sind. Wie oben bereits dargelegt, fehlt es aber an einer „Verkehrsfremdheit“ der Verkehrsvorgänge, die durch den Besucherzustrom zu der Veranstaltung auf dem Privatgelände verursacht werden.
Im Übrigen mag die Gesetzes- bzw. Verordnungssystematik zwar nahelegen, dass es im Rahmen des § 29 II StVO in erster Linie auf das Ergebnis der Beeinträchtigung des Straßenverkehrs ankommen soll und dessen Ursprung deshalb auch verkehrsextern begründet sein kann.
Diese Annahme dürfte auch durch die Untersuchung des weiteren Regelungszusammenhangs bestätigt werden. In den §§ 32 f. StVO werden speziellen Beeinträchtigungen des Verkehrs behandelt. So richtet sich das Verbot des § 32 I S. 1 StVO, Gegenstände auf Straßen zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann, auch an Nichtverkehrsteilnehmer.
Der Verbotstatbestand des § 33 I Nr. 2 StVO ist auch dann erfüllt, wenn Waren und Leistungen neben einer Straße angeboten werden, dieses Angebot aber direkt auf die Straße wirkt und bei objektiver Betrachtung geeignet ist, dort zu Verkehrsbeeinträchtigungen zu führen.
Jedoch setzen beide Verbotstatbestände eine unmittelbare Inanspruchnahme bzw. ein unmittelbares Einwirken auf die Straße voraus. Denn § 32 I S. 1 StVO ist nur dann erfüllt, wenn sich (verkehrsfremde) Gegenstände unmittelbar auf der Straße befinden. Auch der Verbotstatbestand des § 33 I Nr. 2 StVO ist nur dann verwirklicht, wenn das neben der Straße angebotene Warensortiment „objektiv unmittelbar ‚auf‘ die Straße… wirkt“.
Es reicht danach also gerade nicht, wenn das neben der Straße angebotene Warensortiment nur mittelbar auf die Straße wirkt, d.h. es nur anlässlich seines Angebots zu Auswirkungen auf den Straßenverkehr kommt, etwa weil - wie bei jedem Warenangebot - die Käufer an- und abfahren oder anhalten und am ruhenden Verkehr teilnehmen, sondern es muss „direkt auf die Straße“ wirken.“

d. Sinn und Zweck
Nach Sinn und Zweck der Vorschrift möchte sie zwar Gefährdungen der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs abwehren. Allerdings stehen den Behörden mit § 45 StVO und § 69a GewO Instrumentarien zur Verfügung, die ebenso geeignet sind, Gefahren abzuschirmen:

„Das auf der Kompetenznorm des Art. 74 I Nr. 22 GG beruhende Straßenverkehrsrecht regelt umfassend die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs unabhängig davon, durch welche Vorgänge dieser gefährdet wird. Es will also nicht nur Gefahren begegnen, die dem Verkehr und den Verkehrsteilnehmern von anderen Verkehrsteilnehmern drohen, sondern auch Gefahren, die von außerhalb auf den Verkehr einwirken.
Daraus lässt sich jedoch nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass immer, wenn Gefährdungen des Straßenverkehrs (von außen) drohen, auch die Regelung des § 29 II S. 1 StVO anwendbar sein muss. Vielmehr besteht insbesondere über § 45 I StVO die Möglichkeit, die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung zu beschränken oder zu verbieten. Dementsprechend wird auch das - unstreitig erforderliche - Verkehrskonzept der Beklagten zur Durchführung des Weihnachtsmarkts durch die auf § 45 I StVO gestützten Anordnungen sichergestellt. Abgesehen davon beziehen sich die von der Beklagten nach § 29 II S. 1 StVO mit der Erlaubnis erlassenen und auch in Zukunft angedachten Nebenbestimmungen nicht in erster Linie auf Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, sondern überwiegend auf Kosten- bzw. Haftungsregelungen - wie etwa die Kostenfreistellung des Straßenbaulastträgers (dritte Nebenbestimmung) und der Abschluss einer Veranstalterhaftpflichtversicherung (vierte Nebenbestimmung).
Zudem wäre für den Fall, dass Maßnahmen nach § 45 I StVO nicht ausreichen, um unverhältnismäßige Störungen des Straßenverkehrs auszuschließen, zu prüfen, wie es die Beklagte im Übrigen selbst ausführt, inwieweit verkehrsrechtliche Erwägungen im Zusammenhang mit der gewerberechtlichen Festsetzung des Weihnachtsmarkts zu berücksichtigen sind und im Rahmen dieses Regelungsregimes Bedingungen oder Auflagen rechtfertigen können.
Nach § 69a II GewO hat die Beklagte die Befugnis, die gewerberechtliche Festsetzung im öffentlichen Interesse, insbesondere wenn dies zum Schutz der Veranstaltungsteilnehmer vor Gefahren für Leben oder Gesundheit oder sonst zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist, mit Auflagen zu verbinden. Auflagen zur Vermeidung von erheblichen durch die festgesetzte Veranstaltung hervorgerufenen Verkehrsbeeinträchtigungen dürften auch im öffentlichen Interesse liegen.“

Eine andere Auslegung hätte zudem zur Folge, dass jede Veranstaltung, die nicht auf der Straße stattfindet, aber regelmäßig größere Besuchermasse anzieht (wie Fußballspiele, sonstige Sportveranstaltungen, Open-Air-Konzerte, sonstige künstlerische Darbietungen, Jahrmärkte, Flohmärkte, Feste etc.), der Erlaubnispflicht nach § 29 II StVO unterfallen. Ein solch weitreichender Anwendungsbereich kommt dieser Vorschrift aber nicht zu.

3. Zwischenergebnis
Nach alledem sprechen die besseren Argumente dafür, dass bloß mittelbare Belastungen der Straße durch eine nicht auf der Straße stattfindende Veranstaltung die Erlaubnispflicht nach § 29 II StVO nicht auslösen. Es handelt sich bei dem Weihnachtsmarkt nicht um eine von § 29 II StVO erfasst Veranstaltung.

IV. Ergebnis
Die zulässige Klage ist begründet.

C. Fazit
Eine Entscheidung mit einem prüfungsgeeigneten Auslegungsproblem, das das OVG schulmäßig unter Rückgriff auf die anerkannte Auslegungsmethoden löst. Das macht die Entscheidung lehrreich und prüfungsrelevant zugleich. Zudem hat das OVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage die Revision zugelassen, so dass abzuwarten bleibt, ob das BVerwG dazu Stellung nehmen wird.